Wenn du Baha'u'llahs kurzes Buch „Die Verborgenen Worte“ noch nicht kennst, dann solltest du dir ein Exemplar besorgen. Und wenn du es bereits kennst, aber schon seit einer Weile nicht mehr hineingeschaut hast, schlage ich vor, du stürzt dich hinein!

„Die Verborgenen Worte“ bestehen aus 153 kurzen Passagen, die Baha'u'llah 1858 offenbarte, als Er am Ufer des Flusses Tigris in Bagdad, Irak, spazieren ging. Sie sind direkt und geradlinig, zugleich jedoch unendlich differenziert und esoterisch. Sie sprechen den Leser unmittelbar an, sind aber von solcher Bedeutungstiefe, dass jedes erneute Lesen neue Entdeckungen ermöglicht. „Die Verborgenen Worte“ widersetzen sich der im akademischen Umfeld üblichen trockenen Leseweise oder dem für die Nutzung sozialer Medien typischen halb-abwesenden Durchscrollen. Nein – sie sind mit der Stimme Gottes geschrieben, als göttlicher Liebesbrief an den menschlichen Leser. Dies sind Beispiele für die Sprache des Herzens, die man darin findet:
Du bist meine Lampe, und mein Leuchten ist in dir.
Den Tod machte Ich dir zum Boten der Freude. Warum bist du traurig?
Reinige dein Herz von Bosheit, und frei von Neid tritt ein in der Heiligkeit himmlischen Hof.
Dein Herz ist Meine Wohnstatt. Heilige es für Mein Kommen.
Bei anderen Büchern besteht das Hauptinteresse des Lesers darin, Informationen zu erhalten. Lesen ist dabei nur ein Weg, das in ihnen enthaltende Wissen herauszulösen. Aber dieses Buch ist anders. Es ermöglicht Erfahrungen innerer Verwandlung. Ich denke, die folgenden drei Passagen zeigen dies gut. In einer erklärt Baha'u'llah den Grund, warum wir erschaffen wurden:
O Sohn des Menschen! Verhüllt in Meinem unvordenklichen Sein und in der Urewigkeit Meines Wesens, wusste Ich um Meine Liebe zu dir. Darum erschuf Ich dich, prägte dir Mein Ebenbild ein und offenbarte dir Meine Schönheit.
Baha'u'llah, Die Verborgenen Worte
In der folgenden Passage beschreibt er auch die in jedem von uns verborgenen Entwicklungsmöglichkeiten:
O Sohn des Geistes! Edel erschuf Ich dich, doch du erniedrigst dich. So erhebe dich zu dem, wozu du erschaffen bist.
Baha'u'llah, Die Verborgenen Worte
Hier ebenfalls:
O Fremdling, dem Freundschaft erwiesen wird! Die Kerze deines Herzens ist durch die Hand Meiner Macht entzündet. Lösche sie nicht durch die widrigen Winde der Selbstsucht und der Leidenschaft. Meiner zu gedenken, ist dein Heil in allen Gebrechen; vergiss dies nicht. Mache Meine Liebe zu deinem Schatz und hege sie wie dein Augenlicht und dein Leben.
Baha'u'llah, Die Verborgenen Worte
„Die Verborgenen Worte“ locken uns auf den Weg einer umfassenden spirituellen Suche. Sie eignen sich zur Meditation, etwas, das wir normalerweise abseits eines Bildschirms oder Buches ausüben. Sie bringen uns dazu, ihre Worte in uns einsaugen zu wollen. Und einer der besten Wege dazu ist, wenn ich das sagen darf, sie auswendig zu lernen. Glücklicherweise bedeutet das nicht, dass wir alles auf einmal auswendig lernen sollten! Meiner Erfahrung nach behindert es das Meditieren enorm, wenn man zu schnell zu viel liest. Hauptsache, man kann sich an einzelne Aussagen erinnern, wenige Sätze nur, und diese tief in sich einsinken lassen, ohne in das Buch zu schauen.
Ich habe mir angewöhnt, immer ein Taschenexemplar von „Die Verborgenen Worte“ bei mir zu tragen. Wenn es sich ergibt, oft unerwartet, hole ich es heraus und wähle eine beliebige Passage aus. Ich konzentriere mich auf sie und versuche, mir die Worte einzuprägen. Sobald ich denke, dass ich es geschafft habe, schließe ich das Buch, wobei mein Finger als Lesezeichen dient, und wiederhole die Passage so lange, bis ich sicher bin, dass ich sie auswendig gelernt habe.
Für mich funktioniert das gut so; andere fühlen sich vielleicht von anderen Methoden eher spirituell angesprochen. Was zählt ist, dass wir Vorgehensweisen finden, die uns dabei helfen, unserem spirituellen Weg treu zu bleiben.
Durch das Auswendiglernen einzelner Passagen aus „Die Verborgenen Worte“ und die anschließende Meditation konnte ich ein anschaulicheres Verständnis für den Gesprächscharakter des Gebets gewinnen. Einerseits habe ich alles, was ich Gott sagen möchte. Und andererseits brauche ich mich bezüglich dessen, was Gott mir zu sagen hat, nicht auf zweifelhafte Interpretationen spiritueller Empfindungen in mir oder auf äußere Ereignisse um mich herum zu verlassen: Ich kann meine Aufmerksamkeit auf das richten, was Gott der Menschheit durch die Heiligen
Schriften Baha'u'llahs offenbart hat. Wann immer ich Verstand und Herz dem Wort Gottes zuwende, bieten sich tiefe Erkenntnisse.
Sich der Gegenwart Gottes bewusst zu sein, während wir über etwas nachdenken, ist eine Art Gebet. In Stille verharrend kann ich zulassen, dass der Text mich anspricht. Ich kann Gott Fragen über den Sinn bestimmter Zeilen stellen und über ihre Bedeutung und Folgen für mein eigenes Leben nachdenken. Bevor ich noch mehr zu Gott sage, sollte ich mich daran erinnern, dass er mir bereits so viel zu sagen hat. Und so Vieles davon ist in den 153 kurzen Botschaften der Liebe enthalten, aus denen „Die Verborgenen Worte“ Baha'u'llahs bestehen.
Greg Hodges hat eine Leidenschaft für die Schnittmenge von gesellschaftlicher Entwicklung und geistig-spiritueller Erneuerung. Er und seine Frau leben in Alfred, Maine, USA.
Dieser Artikel erschien im Original auf bahaiteachings.org
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