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  • AutorenbildSahab Mahboubi

Gibt es so etwas wie eine „weltbeste“ Religion?


Die meisten Anhänger einer Religion halten ihre eigene für die beste von allen. Warum sollte man auch einem bestimmten Glauben anhängen, wenn man nicht so über ihn denken würde?


Wer die Strahlen liebt und das Licht sucht, wird sich stets der Sonne zuwenden

Viele Christen halten das Christentum für die einzig wahre, beste Religion, während Muslime sagen, dass der Islam am besten ist. Viele Hindus, Buddhisten, Juden, Zoroastrier und andere Gläubige sind wahrscheinlich gleichermaßen von ihrem jeweiligen Glauben überzeugt.


Wie können wir also herausfinden, welche Religion „die beste“ ist? Wer liegt richtig, wer falsch?


Möglicherweise überrascht dich die Antwort aus der Baha'i-Perspektive. Die Baha'i-Lehren bieten den Menschen ein einzigartiges zentrales Prinzip an: die Einheit aller Religionen.


Dieses Prinzip der Einheit, das alle Baha'i-Lehren durchdringt, besagt, dass es nur eine einzige Religion gibt, die von ihrem Schöpfer immer wieder erneuert wird. Jede „neue“ Religion ist demnach nichts anderes als die Weiterentwicklung der einen einzigen Religion, ihre Er-neu-erung, ihre Neu-Belebung mit frischen, zeitgerechten Lehren. Damit bringt der Schöpfer seine Schöpfung Schritt für Schritt voran, eine historische Ära nach der anderen. Die Baha'i glauben, dass in jeder der großen Weltreligionen ein gottgegebener Kern steckt - und dass jede einzelne von ihnen ein wichtiges Glied in der unendlichen Kette göttlicher Führung bildet.


Baha'u'llah, der Stifter der Baha'i-Religion, schrieb darüber:


Betrachte mit deinem inneren Auge die Kette der aufeinanderfolgenden Offenbarungen ... Ich bezeuge vor Gott, dass jede dieser Manifestationen [Boten Gottes] durch das Wirken des göttlichen Willens und Heilsplanes herabgesandt wurde, dass jede Träger einer besonderen Botschaft war, dass jede mit einem göttlich offenbarten Buche betraut und beauftragt war, die Geheimnisse einer machtvollen Tafel zu enthüllen. Das jeder Offenbarung eigene Maß war genau vorherbestimmt.
Baha'u'llah, Ährenlese

Die Baha'i-Lehren vergleichen die Propheten und Stifter der Weltreligionen mit den Lehrenden in der Schule. Sie unterrichten die Kinder entsprechend ihres Alters und ihrer Fähigkeiten. In der ersten Klasse wird ein anderer Stoff gelehrt als in der fünften oder zehnten, wobei alles aufeinander aufbaut. Kein Zwischenschritt ist verzichtbar, jedes einzelne dieser Glieder in der Erziehungskette ist genausoviel wert und wichtig wie die anderen. Sie unterscheiden sich lediglich durch die Aufnahmefähigkeit der Kinder auf den jeweiligen Stufen.


Natürlich verfügen die Lehrenden über ein viel größere Wissen und Verständnis, als diejenigen, denen sie etwas beibringen – genauso, wie die Propheten Gottes viel mehr wissen, als sie den Menschen enthüllen. Diese fortschreitende Enthüllung oder „Offenbarung“ geistiger Inhalte hat den Zweck, so besagen die Baha'i-Schriften, die Menschen allmählich zu erziehen und aufzurichten, zu erbauen und zu stärken:


Die ganze Menschheit gleicht Kindern in der Schule, und die Aufgangsorte des Lichtes, die Quellen göttlicher Offenbarung, sind die Lehrer, wundersam und ohnegleichen. In der Schule der Wirklichkeiten erziehen sie diese Söhne und Töchter nach Gottes Lehren ..., damit sie sich in jeder Hinsicht entwickeln, die vortrefflichen Gnadengaben des Herrn dartun und menschliche Vollkommenheiten in sich vereinen, damit sie ferner auf allen Gebieten menschlichen Bemühens, äußerlich wie innerlich, erkennbar oder verborgen, stofflich oder geistig, Fortschritte machen, bis sie diese vergängliche Welt zu einem großflächigen Spiegel machen, der die andere, die unsterbliche Welt, widerspiegelt.

Dieses unter der Bezeichnung „Fortschreitende Gottesoffenbarung“ bekannte Baha'i-Konzept sieht alle Religionen als von Gott gesandt und aufeinander aufbauend an, wobei ihre Propheten bzw. Stifter untereinander völlig einig sind, denn ihre Botschaften stammen aus derselben Quelle:


Die geistigen Zyklen der Sonne der Wahrheit befinden sich wie die Zyklen der physischen Sonne in einem Zustand ständiger Bewegung und Erneuerung. Die Sonne der Wahrheit kann mit der materiellen Sonne verglichen werden, die an vielen verschiedenen Orten aufgeht. Einmal erhebt sie sich im Zeichen des Krebses und einmal im Zeichen der Waage; einmal erstrahlt sie im Zeichen des Wassermanns und ein andermal im Zeichen des Widders. Doch die Sonne ist nur eine Sonne und eine einzige Wirklichkeit. Die wahres Wissen besitzen, lieben die Sonne und sind nicht ihren Aufgangsorten verhaftet. ... Wer die Strahlen liebt und das Licht sucht, wird sich stets der Sonne zuwenden, ob sie nun im Zeichen des Widders scheint, ob sie ihre Gunst im Zeichen des Krebses gewährt oder ihre Strahlen im Zeichen des Zwillings aussendet. ...
Deshalb muss man nach der Wahrheit suchen ... und sich ganz und gar von den Gnadengaben Gottes anziehen lassen. Wie ein Nachtfalter muss man das Licht lieben, in welcher Lampe es auch immer leuchtet; und wie eine Nachtigall muss man von der Rose bezaubert sein, in welcher Laube sie auch immer blüht.
Abdu'l-Baha, Beantwortete Fragen

Aus Baha'i-Sicht setzt sich das Rahmenwerk der Religion aus ungezählten, aufeinander aufbauenden Religionen zusammen. Jede Hochkultur wurde mindestens einmal von einer göttlichen Offenbarung befruchtet. Jeder Religionsstifter bestätigt die ewigen Wahrheiten, beispielsweise „du sollst nicht töten“, und belebt sie mit neuer geistiger Kraft. Darüberhinaus führt er jedoch auch neue Konzepte ein, die die Menschheitsentwicklung weiter fördern. Dementsprechend betrachten die Baha'i die unterschiedliche Religionen nicht als gegenseitige Konkurrenten, sondern glauben, dass sie alle Facetten einer einzigen, sich ständig weiter entfaltenden Religion sind, eine Einheit, ein ewig wachsendes Glaubensgebäude, dessen Fundament eine gemeinsame Wahrheit ist, mit Licht in jedem seiner Räume.


Was ist also die weltbeste Religion? Da nach Baha'i-Ansicht alle Religionen derselben Quelle entspringen und dieselbe Kernaussage lehren, lautet die Baha'i-Antwort:


Der Mensch muss sich von allen Vorurteilen und von den Ergebnissen seiner eigenen Einbildung trennen, so dass er zum ungehinderten Suchen nach Wahrheit fähig werde. Die Wahrheit ist in allen Religionen, und durch sie vermag die Einigkeit der Welt zur Tat zu werden.
Alle Völker haben die gleiche Glaubensgrundlage. Die Wahrheit ist nur eine und kann nicht geteilt werden, die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Nationen existieren, weil sie sich an Vorurteile klammern. Suchten die Menschen die Wahrheit, dann wären sie sich einig.

Abdu'l-Baha, Ansprachen in Paris


 

Sahab Mahboubi arbeitet in den USA und Kanada als IT-Produktmanager. Vor zehn Jahren hat er sein Studium an der Western University Canada mit einem BSc (Physik) abgeschlossen. Ehrenamtlich leitet er Kurse für Jugendliche (11-15 Jahre) und ist Tutor für das Ruhi-Institut. Er reist gerne, interessiert sich für die Kulturen und Religionen der Welt sowie für Astronomie.


Dieser Artikel erschien im Original auf bahaiteachings.org und wurde von der Redaktion leicht editiert.


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