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  • AutorenbildMakeena Rivers

Ausweg aus der Streitfalle

Wahrheitsfindung durch Beratung


Versuchst Du regelmäßig, dich an fruchtlos erscheinenden Diskussionen zu beteiligen? Fühlst Du dich oft im Streitmodus gefangen?


So vieles kann zielführende Gespräche verhindern. Manchmal hakt es auf der zwischenmenschlichen Ebene. Ein andermal kleben wir einfach zu fest an unserer eigenen Sichtweise oder wollen unbedingt recht haben oder unser Gegenüber will das.


Was ist „echte“ Beratung?

Welche Ursache auch immer, solche erfolglosen Gespräche können sehr ermüdend sein. Wer ständig an Auseinandersetzungen teilnehmen muss, die nirgendwohin führen, kann regelrecht ausbrennen – es droht Burn-out. Womöglich entsteht das Gefühl, unsere Meinung sei unwichtig. Anstatt sich voller Neugier und Energie in ihrem Umfeld zu engagieren, steigen viele dann innerlich aus und schalten geistig ab.


Die Baha'i-Lehren besagen, dass echte Beratung – die gemeinsame Suche nach Wahrheit – nicht nur dem Erfolg von Besprechungen nützt, sondern auch zu einem verbesserten Verständnis für unser Umfeld beitragen kann. Daraus ergibt sich die Frage: Was ist „echte“ Beratung und was ist dafür nötig? Einige Voraussetzungen und Überlegungen dazu finden sich in den Baha'i-Schriften, beispielsweise:

Wenn sich fünf Menschen zusammentun, um die Wahrheit zu erforschen, so müssen sie damit beginnen, dass sich jeder über seine einzelne besondere Lage hinwegsetzt und alle vorgefassten Meinungen fallen lässt. Um die Wahrheit zu finden, müssen wir von unseren Vorurteilen, unseren eigenen kleinlichen, alltäglichen Vorstellungen lassen; ein offener, empfänglicher Sinn ist nötig. Wenn unser Kelch vom Ich erfüllt ist, so ist in ihm kein Raum mehr für das Wasser des Lebens. Die Tatsache, dass wir meinen, selber im Recht zu sein und jeden anderen für im Unrecht halten, ist das größte aller Hindernisse auf dem Weg zur Einheit, und Einheit ist nötig, wenn wir zur Wahrheit kommen wollen, denn die Wahrheit ist nur eine.
Abdu'l-Baha, Ansprachen in Paris

Notwendig ist demnach, Vorurteile zu erkennen und zu überwinden sowie Selbstsucht aufzugeben. Wir alle können im Alltag daran arbeiten, „kleinliche Vorstellungen“ und „Vorurteile“ loszulassen. Wenn wir wirklich erfolgreich an harten Auseinandersetzungen teilnehmen wollen, brauchen wir einen „offenen, empfänglichen Sinn“ und dürfen nicht weiter an egoistischen Zielen und vorgefassten Meinungen festhalten.


Vorurteile und Unterdrückung sind heutzutage weit verbreitet. Wenn wir wie geschildert aus einer Position der Empfänglichkeit mit anderen sprechen wollen, müssen wir deshalb ernsthaft Zeit und Energie investieren, um vorschnelles Urteilen zu ver-lernen. Stattdessen müssen wir lernen, anderen aufmerksam zuzuhören. Wir müssen aufdecken, wie Vorurteile unsere gesellschaftlichen Institutionen durchdringen. Und wir müssen unser tägliches Denken und Handeln wachsam prüfen.


Natürlich kommt es vor, dass wir von einer Sache mehr Ahnung haben als andere, vielleicht durch mehr Erfahrung oder berufliches Fachwissen oder spezielle Anstrengungen auf dem Gebiet. Schnell entschlüpft uns dann eine herablassende Antwort – und schon fahren wir die Besprechung vor eine Wand, noch bevor sie richtig begonnen hat. Davor warnen diese Zitate:


... wir [sollten] keinen herabsetzen oder unwissend nennen mit den Worten: »Du weißt es nicht, ich aber weiß es.« Vielmehr sollten wir anderen mit Achtung begegnen, und wenn wir etwas erklären und zeigen möchten, sollten wir wie Wahrheitssucher sagen: »Hier liegen uns diese Dinge vor. Lasst uns forschen, damit wir entscheiden können, wo und in welcher Gestalt die Wahrheit zu finden ist.«

Sie müssen in jeder Angelegenheit nach der Wahrheit forschen und nicht auf ihrer eigenen Meinung beharren; denn Starrsinn und hartnäckiges Festhalten an der eigenen Meinung wird schließlich zu Uneinigkeit und Streit führen, und die Wahrheit wird verborgen bleiben.
Abdu'l-Baha, in: Beratung

Der Ton macht die Musik. Wie wir miteinander umgehen, kann den entscheidenden Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Je achtsamer und respektvoller wir kommunizieren, desto bessere Ergebnisse wird unser Austausch erzielen. Hier bietet sich auch eine Chance für inneres, geistiges Wachstum, denn eine gute Beratung kann zu weit mehr dienen als nur zur Wahrheitsfindung oder Problemlösung: Sie kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und Segen anziehen. Schon das erste Zitat oben wies auf die Notwendigkeit der Einheit hin. Baha'u'llah, der Stifter der Baha'i-Religion, erklärt weiter:

Der Mensch kann seine wahre Stufe nicht erlangen, es sei denn durch seine Gerechtigkeit. Keine Macht kann bestehen, es sei denn durch Einheit. Keine Wohlfahrt und kein Wohlergehen kann erreicht werden, es sei denn durch Beratung.
Beratung verleiht tiefere Kenntnis und verwandelt Vermutung in Gewissheit. Sie ist ein strahlendes Licht, das in einer dunklen Welt den Weg weist und Führung gibt. Für alles gibt es und wird es immer eine Stufe der Vollendung und Reife geben. Die Gabe der Einsicht zeigt ihre Reife in der Beratung.
Baha'u'llah, in: Beratung

Niemand wird als Beratungschampion geboren. Für meisterhaften Erfolg muss man sich anstrengen und üben. Vielleicht gäbe es unseren Beratungsskills einen gehörigen Schub, wenn wir an Folgendes dächten: Jedesmal, wenn wir uns gemeinsam mit anderen auf Wahrheitssuche begeben oder zu einer einstimmigen Entscheidung finden, bereichern wir damit sowohl uns selbst als auch unsere Gesellschaft.


 

Makeena Rivers ist Absolventin der Columbia School of Social Work, wo sie sich mit den Themen Rasse, Inhaftierung, Bildung und Klasse beschäftigte. Vor New York studierte sie Psychologie und Soziologie an der Emory University. Ihre Leidenschaft gilt der Suche nach Gerechtigkeit und Heilung durch kreatives Gestalten.


Dieser Artikel erschien im Original auf bahaiteachings.org und wurde von der Redaktion leicht editiert.

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